Zur Förderung des Geschichtsbewusstseins ist der Kanton Aargau in den vergangen zwei Jahrzehnten zu einer aktiven Erinnerungspolitik übergegangen. Mit einer Reihe kantonaler Gedenkjahre, gestartet vor rund 20 Jahren mit der Würdigung von «200 Jahre Helvetische Republik», wurden wichtige historische Ereignisse, die den Aargau bis heute prägen, einer breiten Bevölkerung vermittelt. Der vorläufig letzte Anlass fand 2015 zur Eroberung des habsburgischen Aargaus durch die Eidgenossen statt. Zur erinnerungspolitischen Vorwärtsstrategie des Kantons zählen im Weiteren der Ausbau des Museum Aargau auf eine Viertelmillion Besucher*innen und die erfolgreiche Vermittlung des römischen Kulturerbes im Legionärspfad Vindonissa.
Es scheint kein Zufall, dass in dieser Phase einer aufblühenden Erinnerungskultur auch das jüdische Erbe in den beiden Dörfern Endingen und Lengnau auf kantonaler Ebene zum Thema wurde. Das Projekt «Doppeltür» machte deutlich, welch grosses Potenzial in einer Vermittlung der originalen Schauplätze des jüdisch-christlichen Zusammenlebens steckt. Wo könnte die Bedeutung des Judentums für die Entstehung des Christentums und die Koexistenz von Juden und Christen besser vermittelt werden als schauplatzbezogen in den sogenannten «Judendörfern» Endingen und Lengnau?
Folgerichtig hat der Aargauer Regierungsrat die Realisierung des Projekts Doppeltür in den Zielkatalog des ersten Aargauer Kulturkonzepts aufgenommen. Nachdem mit den herausragenden Zeugnissen aus der Römerzeit und dem Mittelalter breite Bevölkerungsschichten für Geschichte interessiert werden konnten, ist die Zeit reif, dass im Aargau dieses wichtige Kapitel der neueren Geschichte attraktiv und einprägsam vermittelt wird.
Der Weg bis zur Realisierung der ambitionierten Vision Doppeltür ist vermutlich noch lang. Am Planungshorizont taucht mit dem Jahr 2026 bereits ein zeitlicher «Fixstern» auf, den es für die Promotion von Doppeltür zu nutzen gilt. Dann wird es nämlich 250 Jahre her sein, dass die 1776 eidgenössisch verordnete Zwangsniederlassung in Endingen und Lengnaueine über viele Generationen mal besser, mal schlechter funktionierende Schicksalsgemeinschaft aus Juden und Christen begründet hat. Das wäre für den Kanton Aargau der geeignete historische Anlass, um die 1998 mit dem Helvetik-Jubiläum ins Leben gerufene Gedenkjahrreihe mit einem offiziellen Erinnerungsjahr zur Entstehung des «Rütlis der Schweizer Juden» fortzusetzen. Damit würde der Aargauer und Schweizer Bevölkerung wie auch ausländischen Gästen ein bis dato wenig bekanntes Kapitel unserer vielseitigen Landesgeschichte ins Gedächtnis gerufen.
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie auch in der Publikation von Professor em. Jacques Picard mit dem Titel «Der jüdische Kulturraum Aargau», die 2020 erscheinen wird.
Ich wünsche allen Doppeltür-Freund*innen einen guten Start ins neue Jahrzehnt!
Thomas Pauli-Gabi
|