«Anke» oder «Butter»?
Es war 1992, als ich das erste Mal mit dem Surbtal in Berührung kam. Damals war ich Keyboarderin einer Jugendband, die am Lengnauer Openair «Rock gegen Hass» im Vorprogramm auftreten durfte. Das 1991 von Sidney Weill initiierte Musikfestival erlebte just in diesem Jahr seinen Durchbruch. Natürlich nicht wegen dem Geklimper und Geschrumme von mir und meiner Bandkollegen, sondern wegen dem Headliner, der kein Geringerer als Sir Bob Geldof himself war!
Sowohl die Musik als auch Kunst und Kultur haben mich seit jeher fasziniert und inspiriert. Und vielleicht war es gar nicht mal so zufällig, dass ich rund zwanzig Jahre später an diesen Ort des Geschehens zurückgekehrt bin. Dann aber als Doktorandin, wo ich auf einer Führung von Roy Oppenheim die spannende jüdisch-christliche Geschichte von Endingen und Lengnau vermittelt bekam. Zwischen Bob Geldof und Roy Oppenheim aber liegen ereignisreiche Jahre.
Zunächst bin ich Lehrerin für Textiles Werken geworden, danach entschloss ich mich für ein Studium der Kunstgeschichte und der Geschichte an der Universität Basel. Die erneute Connection zum Schauplatz Surbtal wurde vorerst literarisch hergestellt, war es doch Charles Lewinskys fulminantes Familienepos «Melnitz», das mich auf wundersame Weise zu meiner Lizentiatsarbeit inspiriert hat – und dies auch noch folgenschwer: Ich entdeckte die damals noch weitgehend unbekannte Geschichte der jüdischen Warenhausgründer in der Schweiz, die ich dann in meiner Dissertation erforschen durfte. Ich war derart begeistert von diesem Thema, dass ich gar nach New York flog, um die Grabesstätte einer unserer ersten und dorthin ausgewanderten Schweizer Warenhauspioniere auszukundschaften.
Zu jener Zeit lernte ich auch meinen Doktorvater Professor Dr. Jacques Picard kennen. Ihm verdanke ich nicht nur eine mehrjährige Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kulturanthropologischen Seminar in Basel, er war es auch, der mich zur Projektmanagerin und Mitherausgeberin der kürzlich erschienenen Publikation «Jüdischer Kulturraum Aargau» berufen hat. Zusammen mit ihm stiess ich dann auch zum Projekt Doppeltür und wurde Mitglied in deren Projektentwicklungsgruppe. Im Rahmen dieser Tätigkeit erarbeitete ich in diesem Jahr, zusammen mit dem Szenographen Beat Stalder und dem Kurator Andreas Schwab, ein Grobkonzept zur Ausstellung des Vermittlungsprojektes Doppeltür. Eine kreative Aufgabe, die mir aufgrund meiner Interessen und Neigungen grosse Freude und spannende Monate bereitet hat.
Trotz akademischem Werdegang ist mir der musische Anteil in meinem Leben bis heute stets ein Ankerpunkt geblieben. Dasselbe gilt übrigens auch für den Aargau, bin ich doch in Wettingen – in der Klinik «Sonnenblick» – zur Welt gekommen. Bereits meine Eltern sind in dieser Gemeinde sowohl geboren als auch aufgewachsen. In ihren jungen Jahren lebten diese dann für sieben Jahre in London. Kurz vor meiner Geburt aber kehrten sie in den Aargau zurück und liessen sich vorerst in Mellingen und danach in Niederrohrdorf nieder, wo ich meine Kindheit und Jugend verbrachte. Später zog es mich aufgrund meiner Heirat in jene Ecke des Kantons, in der man vom «Anke» oder vom «Härdöpfu» spricht (für mein Verständnis eines echten Aargauer Dialektes gilt bis heute: «Butter» und «Hördöpfel»!).
Ob nun Warenhäuser, Doppeltüren oder der Aargau: Nicht nur die Projekte, sondern auch die vielen interessanten Menschen, die ich dadurch kennen lernen durfte, waren und sind eine Bereicherung in meinem Leben. Ich bin dankbar!
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