Anfang Jahr behandelte der Grosse Rat die Regierungsvorlage zur Verdichtung des Bahnangebots der Regio-S-Bahn Stein-Säckingen – Laufenburg. In der Kommissionsberatung fand damals der ausgewogene regierungsrätliche Vorschlag eine klare Mehrheit. In der Ratsdebatte kippte die Stimmung aber und plötzlich fand der noch stärkere Ausbau der Bahninfrastruktur für über 60 Millionen Franken eine Mehrheit! Gründe dafür waren die starke Fricktaler Lobby und das eine oder andere Ratsmitglied, das vorgängig kippte. Natürlich ist es richtig und wichtig, dass sich Grossräte und Grossrätinnen für ihre Region stark machen. Mich irritierte dabei aber, dass einerseits die Kommissionsarbeit mit Füssen getreten wurde und andererseits der Grosse Rat in diesem Fall als Korrektiv bei übertriebenen regionalpolitischen Forderungen komplett versagte. Die Frage sei daher erlaubt: Hat die Kommissionsarbeit ausgedient?
Am letzten Dienstag wiederholte sich das Schauspiel bei der ersten Beratung des Statistikgesetzes. Es ging hier zwar nicht darum, übertriebene regionalpolitische Forderungen zurückzubinden, sondern unnötige Bestimmungen in einem Gesetz zu verhindern. Zur Diskussion stand, ob die Gerichte von der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht ausgenommen sind. Der Regierungsrat und die Mehrheit der vorberatenden Kommission für Aufgabenplanung und Finanzen (KAPF) unterstützten dies. Nicht aber eine Minderheit und so floss ein sogenannter Minderheitsantrag in die Gesetzesberatung ein. Soweit nichts Spezielles. Was mich dann aber doch überraschte, war, dass der Rat diesen unnötigen Minderheitsantrag mit 108 zu 23 Stimmen tatsächlich beschlossen hat. Neben der geschlossenen FDP-Fraktion bewiesen lediglich noch ein SVP- und ein EDU-Ratsmitglied Weitsicht. Alle jammern immer über unnötige Bürokratie und wissen dann doch nichts Besseres, als unnötige Bestimmungen zu beschliessen. Denn die Gerichte erstellen bereits heute eine Vielzahl an Statistiken, auch ohne diese Bestimmung. So müssen wir uns auch nicht wundern, wenn die Verwaltung immer teurer wird.
Das letzte Wort ist zum Glück noch nicht gesprochen, vielleicht schaffen wir es ja noch, diesen Unsinn in der zweiten Beratung zu verhindern. Lesen Sie dazu auch den Beitrag von Dr. Bernhard Scholl in diesem INSIDE.
Auf jeden Fall bin ich sehr stolz auf die FDP-Fraktion. Sie hat sich als verlässliche Fraktion positioniert und mein Dank geht an alle Fraktionskolleginnen und Fraktionskollegen. Wir werden alles daran setzen, dass auch in Zukunft die Kommissionsberatungen nutzenstiftend sein werden.
Die FDP-Fraktion anerkennt den Bedarf, dass Daten für Regierung und Verwaltung wichtig sind und dass diesbezüglich diese Erhebungen nötig sind. Die Einführung eines Statistikgesetzes wird von uns Freisinnigen unter den im Anhörungsbericht beschriebenen Voraussetzungen unterstützt: Effiziente Datenerhebung, kein unberechtigter Mehraufwand für Industrie, Wirtschaft, Banken und Gerichte. Der Persönlichkeitsschutz muss ohne Ausnahme erhalten bleiben und eine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht darf nur äusserst zurückhaltend definiert werden.
Die Kommission für Aufgabenplanung und Finanzen (KAPF) hat eine liberale Version der Synopse für das Statistikgesetz ausgearbeitet. Das Parlament ist nun in der Beratung von ihren eigenen Vertretern in dieser Kommission abgewichen und hat beschlossen, dass die Gerichte auch durch den Regierungsrat gezwungen werden können, statistische Daten z.B. zum Strafrecht abliefern zu müssen. Die Gerichte sind laut Jahresbericht schon heute überfordert mit der Behandlung der hängigen Fälle. Das Bundesgericht verlangt immer vertieftere Begründungen der Entscheide. Das hinderte das Parlament nicht – gegen den Willen der FDP – den Gerichten noch mehr aufzuladen. Ein Sprecher der Mitte-Fraktion meinte, auf Knopfdruck könne dies geliefert werden. Wenn es so einfach wäre! Die Daten müssen in der geeigneten Form erfasst werden und mit der passenden Software aufbereitet werden. Das bedeutet schlicht Mehraufwand. Daten zum Strafrecht finden sich ohnehin im Geschäftsbericht der Gerichte Aargau. Aber besonders problematisch wird sein, dass der Regierungsrat per Verfügung anordnen kann, welche Daten die Gerichte noch zusätzlich liefern sollen.
Das eidgenössische Parlament hat übrigens auch per Knopfdruck die Solaroffensive in den Alpentälern beschlossen. Leider ist diese so nicht umsetzbar. Ein kurzer Anruf bei einem Elektroingenieur hätte genügt, um herauszufinden, dass es z.B. dazu noch ein Kabel braucht, um den Strom abzuleiten. Jetzt scheitert die Solaroffensive an den Kosten.
Fazit: Es braucht mehr liberale Kräfte in den Parlamenten, die auch noch etwas Sachverstand einbringen.
Finanzspritze von 240 Millionen Franken für das Kantonsspital Aarau
Der Grosse Rat hat den Finanzhilfebeitrag von 240 Mio. CHF an die Kantonsspital Aarau AG mit 121:12 gutgeheissen. Auch die FDP-Fraktion stimmte zu, wies jedoch auch ausdrücklich auf die Problemfelder hin, die nun gelöst werden müssen.
In unserer Verfassung ist vorgegeben, dass der Kanton für die medizinische Versorgung der gesamten Bevölkerung zu sorgen hat. Die Sicherstellung dieses Auftrages hat für die FDP oberste Priorität. Bei einem Konkurs des KSA – und das wäre die Folge einer Ablehnung des Finanzhilfebeitrags gewesen – wäre das nicht mehr gewährleistet. Aus diesem Grund stimmte die Fraktion dem Antrag des Regierungsrates zu.
Die 240 Mio. CHF verschaffen dem KSA kurzfristig etwas Luft. Aus Sicht der FDP sind allerdings tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen beim KSA nötig. Sonst ist die Gefahr gross, dass wir früher oder später wieder in der gleichen Lage sind wie heute. Rechtlich ist es aber leider nicht möglich, die Finanzhilfe an spezifische Bedingungen zu knüpfen.
Das KSA und der Regierungsrat sind in der Pflicht
Deshalb blieb es bei der Formulierung von klaren Erwartungen an den KSA-Verwaltungsrat und an den Regierungsrat als Vertreter des Eigentümers. Aus Sicht der FDP ist das eine lange Liste, welche die Grenzen dieses Artikels sprengen würde. Wichtige Beispiele auf Seiten des KSA sind die konsequente Umsetzung des "Fitnessprogramms" und die strategische Ausrichtung aufgrund der Portfolio-Analyse. Der Regierungsrat seinerseits muss das KSA weiterhin eng begleiten, die Eigentümer-Strategie überarbeiten und wirksame Controlling-Instrumente implementieren.
Unbestritten ist, dass die Leistungserbringer im Gesundheitswesen momentan grossen Herausforderungen gegenüberstehen: die Nachwirkungen von Covid-19, keine kostendeckenden Tarife, Mangel an Arbeitskräften. Diese Probleme müssen auch von der Politik angegangen werden. Allerdings sind diese Herausforderungen nicht KSA-spezifisch, auch wenn dieses Spital von einzelnen Aspekten wohl stärker betroffen ist als seine Mitbewerber.
Mit der Zustimmung zur Finanzhilfe haben die FDP und eine Mehrheit des Grossen Rates Verantwortung übernommen. Verantwortung für die Gesundheitsversorgung in unserem Kanton, aber auch Verantwortung für das Personal des KSA, das tagtäglich sein Bestes gibt. Gleichzeitig wurde aber auch der Mahnfinger gehoben. Alle Beteiligten sind in der Pflicht, ihre Hausaufgaben zu lösen, dass sich so ein Ereignis nicht wiederholt.
Verantwortlichkeit für schutzbedürftige Personen aus der Ukraine geregelt
Die Zuständigkeit für die Unterbringung, Unterstützung und Betreuung von schutzbedürftigen Personen aus der Ukraine bleibt bei den Gemeinden. Der Grosse Rat hat einer Überführung der Bestimmungen aus der entsprechenden Verordnung ins ordentliche Recht im Rahmen einer Anpassung des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes in erster Beratung zugestimmt.
Der Regierungsrat hat vor gut einem Jahr eine Verordnung betreffend schutzbedürftige Personen aus der Ukraine erlassen. Darin ist die Zuständigkeit der Gemeinden für die Unterbringung, Unterstützung und Betreuung geregelt. Aufgrund der zeitlichen Befristung dieser Verordnung wurde diese Bestimmung nun mittels Revision des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes (SPG) ins ordentliche Recht überführt.
Aus Sicht der FDP ist die Bewältigung der Folgen des Ukraine-Krieges eine Verbundaufgabe, bei der alle Staatsebenen eine Verantwortung tragen. Die Zuständigkeit der Gemeinden für schutzbedürftige Personen aus der Ukraine wird grundsätzlich als sinnvoll erachtet. Die kommunalen Behörden kennen die Verhältnisse in ihrer Gemeinde am besten. Zudem kann die Solidarität von Privaten vor Ort am besten genutzt werden.
Grosse Herausforderungen zu bewältigen
Für die Gemeinden sind zweifellos grosse Herausforderungen zu bewältigen. Es ist nicht einfach, genügend Personal und Unterkünfte zu finden. Der Kanton steht vor ähnlichen Schwierigkeiten und hat Anfang des Jahres die Asyl-Notlage ausgerufen.
In einer ausserordentlichen Situation darf man sich durchaus die Frage stellen, ob man die Anforderungen z.B. in Bezug auf den Wohnraum etwas herunterschrauben sollte. In diesem Zusammenhang stellte meine Fraktionskollegin Jeanine Glarner im Namen der FDP auf die zweite Lesung hin den Antrag, eine Lockerung des Bewilligungsprozesses von Bauten ausserhalb der Bauzone und in reinen Gewerbe- oder Arbeitszonen zu prüfen. Mit Hilfe von Stimmen aus fast allen Fraktionen wurde der Antrag knapp angenommen.
Die Überführung der Zuständigkeit der Gemeinden für die Unterbringung, Unterstützung und Betreuung von schutzbedürftigen Personen aus der Ukraine ins SPG wurde schliesslich vom Grossen Rat in erster Beratung mit 120:8 Stimmen zum Beschluss erhoben. Die FDP-Fraktion stimmte grossmehrheitlich – mit einer Gegenstimme – zu.
Regierungsrat soll Finanzierungsmöglichkeiten prüfen
Seit mehreren Jahrzehnten bieten die verschiedenen Volkshochschulen unterschiedliche Kurse an. Unbestritten ist, dass hier viel ehrenamtliche Arbeit geleistet wird und viele Kurse regional geschätzt werden. Allerdings stellt sich schon die Frage, inwiefern es sich etwa bei Dorfrundgängen, Bastelkursen und dergleichen um Angebote handelt, die vom Kanton zu unterstützen sind und nicht etwa durch die Gemeinden. Bis 2007 wurden die Volkshochschulen vom Aargauer Kuratorium unterstützt.
Damals wurde das Gesetz über die Berufs- und Weiterbildung verabschiedet, das fortan die gesetzliche Grundlage für den kantonalen Beitrag über 120'000 Franken bildete. Die kantonale Finanzkontrolle stellte nun fest, dass das aktuelle Angebot der Volkshochschulen nicht mehr den gesetzlichen Vorgaben entsprach, weshalb die kantonale Unterstützung gestrichen wurde.
Grundssatzdiskussion vertagt
Im Grossen Rat wurde eine Motion eingereicht, die eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen erforderte, damit die Volkshochschulen weiterhin unterstützt werden könnten. Dem standen jedoch gewichtige Argumente dagegen, weshalb die Motionäre kurz vor der Beratung im Grossen Rat ihren Vorstoss in ein unverbindlicheres Postulat abschwächten und den Regierungsrat nur noch aufforderten zu Handen der BKS-Kommission aufzuzeigen, wie die Volkshochschulen weiterhin unterstützt werden können. In dieser Form wurde der Vorstoss knapp überwiesen und damit die Diskussion vertagt, ob es sich überhaupt um ein Angebot handelt, das mit kantonalen Steuermitteln zu unterstützen ist.
Fragen zur Organisation der kantonalen Informatik
Wir stellen dem Regierungsrat Fragen zur Umsetzung der Informatikstrategie 2020 – 2026, welche im Dezember 2019 veröffentlicht wurde. Insbesondere interessiert uns wie die kantonale Informatik organisiert ist, ob die Aufgaben und Dienstleistungen zentral oder dezentral abgearbeitet werden und wie der Regierungsrat mit der aktuellen Organisation zufrieden ist. Zudem möchten wir wissen, wie das Sicherheits- und Risikomanagement aufgebaut ist und wie die künftige Strategie ab 2027 aussehen könnte.
Ratsgeflüster
Neben- und Mitgeräusche der letzten Grossratssitzung
Gleich zwei Anwesenden konnte Grossratspräsident Lukas Pfisterer anlässlich der letzten Sitzung zum Geburtstag gratulieren: FDP-Grossrat Philippe Ramseier und Landstatthalter Markus Dieth. Zweiterer erhielt nebst einem kulinarischen Präsent des Vorsitzenden auch die Zustimmung des Kantonsparlamentes zu drei von ihm (mit)verantworten Geschäften: Die Einführung eines kantonalen Statistikgesetzes, die Erneuerung der Rechnungswesenapplikation (RAPAG) und die Freigabe einer Finanzhilfe von 240 Millionen Franken an das KSA. Wobei Letzteres – obwohl durch ihn als Mitglied des Regierungsrats mit beantragt – für den Hüter der Kantonsfinanzen wohl alles andere als ein "Geschenk", sondern wie für die Meisten im Saal das unter den gegebenen Umständen kleinstmögliche Übel war.
Bei der Behandlung des KSA-Geschäftes überraschte GLP-Sprecher Hampi Budmiger das Halbrund damit, dass er entgegen den Gepflogenheiten zu Beginn des Votums nicht den Grossratspräsidenten, die anwesenden Regierungsmitglieder und die Grossratskolleginnen und -kollegen ansprach, sondern die Medienschaffenden. Die Erklärung lieferte er gleich nach mit der Mutmassung, dass die Debatte wohl eher einem medialen Schaulaufen von Gesundheits- und Finanzspezialistinnen und
-spezialisten (Anm. d. Red.: teils selbst ernannt) diente, obwohl der Entscheid eigentlich von vornherein klar schien. Budmiger sollte zumindest teilweise recht behalten.
Pascal Furer, Finanzspezialist der SVP-Fraktion, gab zu Protokoll, dass er die Finanzspritze an das grösste Aargauer Spital persönlich ablehne. Im Schnellverfahren solche Summen zu sprechen könne er nicht verantworten. Wenn er als Privatperson mit einem Finanzbegehren zur Bank gehe, müsse er ja auch alles zeigen bis auf die Unterhosen. Damit nicht genug der wie gewohnt sehr plastischen Redeweise des ehemaligen Grossratspräsidenten: Das KSA sei aus seiner Sicht nicht so ganz tot, sondern knapp tot, so Pascal Furer. Landammann und Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati, Parteikollege von Furer, erwiderte, dass dies inhaltlich keine Rolle spiele. In beiden Fällen sei die Bedeutung letztlich "nicht mehr am Leben", deshalb sei das rasche Handeln bei diesem Geschäft so wichtig. Der Grosse Rat bewilligte den Kredit und hält den Patienten KSA am Leben. Weitere tiefgreifende Behandlungen und eine politische Reha werden für den weiterhin schwerkranken Patienten aber wohl unumgänglich sein.
Kontrovers diskutiert wurde ein Prüfungsantrag von Jeanine Glarner (FDP). Sie verlangte für die zweite Beratung der Revision des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes die Abklärung, wie die Gemeinden mit geeigneten Instrumenten ausgerüstet werden können, um ihre Verantwortung für Flüchtlinge mit Schutzstatus S wahrzunehmen. Namentlich geht es um die vereinfachte Bewilligung von Unterkünften ausserhalb der Bauzone. Der Prüfungsantrag wurde letztlich sehr knapp mit 66 Ja zu 65 Nein angenommen. GLP-Vertreter Adrian Bircher brachte dies einige "Ouuu Adrian!"-Rufe aus seiner Fraktion ein, als er just nach der erfolgten Abstimmung den Saal betrat. Eine Nein-Stimme von Bircher hätte das Resultat gekippt, wäre doch bei 66 zu 66 Grossratspräsident Lukas Pfisterer zu seinem ersten präsidialen Stichentscheid gekommen; er hatte den Prüfungsantrag nämlich abgelehnt.
Ratsflüsterer
Abstimmungen vom 18. Juni 2023
Parolen FDP.Die Liberalen Aargau
Eidgenössische Vorlagen:
1) Covid-19-Gesetz JA
2) Klimaschutzgesetz JA
3) OECD-Mindeststeuer JA
Kantonale Vorlagen:
4) Ombudsgesetz NEIN (Behördenreferendum FDP-Fraktion) >> weitere Infos unter www.verwaltungstiger.ch
5) Verdichtung S-Bahnangebot Stein-Säckingen – Laufenburg NEIN
(Behördenreferendum FDP-Fraktion) >> weitere Infos unter www.mobilitaet-ag.ch